Japan Reisebericht - Tempelaufenthalt auf dem Berg Koya
Zusammen mit meinem Mann besuchte ich vor einiger Zeit Japan. Ein Land, welches schon seit Jahren auf meiner „Sehnsuchtszielliste“ stand. Es war eine sehr beeindruckende Reise mit vielen unvergesslichen Momenten. Aber ein Erlebnis steht für mich ganz besonderes für diese Reise – unser Aufenthalt und die unglaublich spirituelle Atmosphäre in einer Kloster-Unterkunft auf dem Tempelberg Koya. Ein buddhistischer Mönch gründete dort vor über 1000 Jahren ein Eremitenkloster. Mit der Zeit kamen unzählige Tempel und Klöster hinzu und in der heutigen Zeit kommen jedes Jahr eine Millionen Pilger dorthin. Es gibt ca. 50 Tempelherbergen, in denen man ins traditionelle Klosterleben „hinein schnuppern“ kann. Ich habe die Zeit dort so intensiv erlebt, dass sie bei mir auch heute noch sehr präsent ist.
Seit ein paar Tagen waren wir schon mit dem überaus praktischen Japan Railpass durch das Land unterwegs und haben, unter anderem in Tokio, den modernen Großstadtdschungel erlebt. Nun wollten wir eintauchen in die Kultur des alten Japans und in die Religion des Buddhismus.
Von Kyoto aus starteten wir am frühen Morgen, nur mit leichtem Gepäck für einen Tag und eine Nacht ausgestattet, in Richtung der Wälder und Berge auf der Halbinsel Kii, wo der heilige Berg Koya liegt. Unser großes Reisegepäck war, wie wir hofften, in japanischer Art per Gepäck-Versand zu unserer übernächsten Unterkunft unterwegs. Wir waren fest entschlossen, unseren Japan Railpass möglichst gut auszunutzen und wählten für die Hinfahrt die etwas umständliche Route der staatlichen Eisenbahn, bei der wir einige Male auf Provinzbahnhöfen umsteigen mussten. Die Beschilderung war längst nur noch in japanischen Schriftzeichen geschrieben und westliche Touristen sahen wir hier auch nicht mehr. Die hilfsbereiten Bahnangestellten und die genaue Einhaltung des Fahrplans sorgten trotzdem dafür, dass wir ohne Probleme den Gokurakubashi Bahnhof erreichten. Von hier aus ging es die letzten Kilometer mit einer Seilbahn auf den ca. 1000 Meter hohen Berg Koya. Leider regnete es schon seit geraumer Zeit in Strömen. Ausläufer eines Taifuns machten unseren Japan Besuch seit ein paar Tagen zu einer etwas feuchten Angelegenheit und wir hatten blöderweise vergessen den Regenschirm ins Tagesgepäck zu packen.
Wir philosophierten noch, ob es auf einem Tempelberg Schirmgeschäfte gibt, als wir an unserm Ziel ankamen. Mittlerweile hatten wir auch wieder Gesellschaft von anderen Touristen, die den deutlich schnelleren Weg mit der Bahn einer privaten Gesellschaft ab Osaka genommen hatten, und wir stellten verblüfft fest, dass man dort oben bestens auf uns vorbereitet war. Als erstes bekam jeder von uns von einem freundlichen Herrn einen Leihschirm und ein Merkblatt in englischer Sprache, auf dem wir über die Buslinien und die Lage der Tempel-Unterkünfte und Sehenswürdigkeiten der „Stadt der Mönche“ informiert wurden. Schnell fanden wir unsere vorgebuchte Tempel-Unterkunft. Als wir aus dem Bus stiegen und unsere Unterkunft für diese Nacht sahen, waren wir überwältigt vom Anblick des wunderschönen, traditionellen Klosters. Die Gebäude sind ganz aus Holz, mit üppigen Schnitzereien und als wir die große Veranda am Eingang erreichten, kam es uns vor, als würden wir eine andere Welt betreten. Unsere Straßenschuhe tauschten wir gegen weiße Pantoffeln und einer der Mönche erklärte uns, was uns während unseres Aufenthalts erwarten wird. Ich war ein bisschen nervös und hoffte, dass es mir gelingen würde die Etikette des Klosterlebens zu erfüllen – das ständige Wechseln der unterschiedlichen Pantoffeln ist schon eine Herausforderung. Dann wurden wir zu unserem traditionellen Tatami-Zimmer geführt und waren begeistert. Es ist alles noch viel authentischer als wir es uns vorgestellt hatten. Die Wände und Schiebetüren sind auf ganz traditionelle Weise aus Papier hergestellt, wir erhalten bequeme japanische Kleidung im Pyjama Stil und die Futon Matratze erweist sich als überraschend bequem.
Aber bevor wir das richtig genießen konnten, wollten wir unbedingt noch eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Ortes erkunden – eine Art Friedhof mit über 200.000 Grab- und Gedenkstätten in einem Zedernwald, der direkt hinter unserem Kloster beginnt. Ein ca. zwei Kilometer langer Rundweg führt durch dieses Areal, welches uns durch die mit Moos bewachsenen Pagoden und Denkmäler wie eine unwirkliche Miniaturstadt erschien. Die einsetzende Dämmerung, zusammen mit den aufziehenden Nebelschwaden, verstärkte die mystische Atmosphäre und wir kamen ganz verzaubert zu unserer Unterkunft zurück. Nachdem wir uns im heißen Becken des Gemeinschaftsbaderaums aufgewärmt haben, wurden wir schon zum Abendessen abgeholt.
Auf Tatamimatten kniend oder sitzend wurde uns auf niedrigen Tischchen das traditionelle vegetarische Essen serviert. Es gab unzählige kleine Schälchen und Tellerchen, die alle unterschiedliche Gerichte in kleinsten Portionen enthielten. Alles war äußerst liebevoll angerichtet und obwohl wir oft nicht wussten, was genau wir aßen, war das meiste sehr köstlich - oder zumindest sehr ungewöhnlich.
Dann zogen sich alle Gäste in die Zimmer zurück, und nach und nach verstummte das leise Geflüster, das noch durch die Papierräume zu hören ist. Die beruhigende Atmosphäre des Klosters lässt uns tief und fest schlafen.
Am Morgen wurden wir noch vor Sonnenaufgang geweckt, um am Morgengebet im Heiligtum der Tempel-Unterkunft teilzunehmen. Zwei Mönche führten mit tranceartigen Mantren und Gesängen das morgendliche Ritual aus, und obwohl ich die Worte nicht verstand, versetzten sie mich in eine meditative Stimmung, die noch über Tage anhielt.
Bevor wir diesen wunderbaren Ort wieder verlassen mussten, gab es noch ein traditionelles Frühstück. Wieder war alles ganz toll angerichtet und vegetarisch. In jedem Fall eine Erfahrung, wobei ich mich schon freute, dass das nächste Frühstück wieder aus Kaffee, Toast und Ei etc. bestehen würde. Nach einem letzten Rundgang durch die wichtigsten Tempel des Ortes machten wir uns, noch ganz beseelt, auf den Rückweg nach Kyoto. Dieses Mal investierten wir in ein Ticket der privaten Bahn, die uns noch einen Halt in Nara erlaubte, wo wir den berühmten Todai-ji Tempel besuchen und die vielen zahmen Hirsche im Tempelpark mit „Hirschkeksen“ fütterten.
Am Abend kamen wir zurück nach Kyoto, wo wir für die letzten zwei Nächte unserer Reise in einem traditionellen Ryokan eincheckten. Beruhigt stellten wir fest, dass auch unserer Koffer, den Weg dorthin gefunden hatten und bereits in unserem Zimmer auf uns warteten.