Botswana Reisebericht: Okavango Delta Safari
Im Juni 2017 ging es für mich auf eine unvergessliche Camping-Reise von Johannesburg durch Botswana zu den Viktoriafällen in Zimbabwe. Ich möchte Ihnen gerne von meinem persönlichen Highlight – dem Okavango Delta – berichten.
Mit dem Sonnenaufgang klingelte der Wecker und wir setzten unsere Reise durch die Kalahari Wüste nach Maun fort – dem Tor zum Okavango Delta. Nach einer langen Fahrt und einem kurzen Einkauf haben wir unser Camp an einem kleinen See aufgeschlagen, an welchem Einheimische angelten, Wäsche wuschen und in der Sonne entspannten. Während wir die angenehme und ruhige Atmosphäre genossen, beobachteten wir, wie die Schatten länger wurden und die untergehende Sonne den Horizont in flammend rote, orangene und violette Farbtöne tauchte.
Um Schlaf kämpfte ich in dieser Nacht vergeblich, weil ich immer wieder an unsere Reise in die Tiefen des Okavango Deltas denken musste, welche am nächsten Tag starten sollte. Am frühen Morgen wurde die Müdigkeit jedoch regelrecht abgeschüttelt, als wir mit einem Allradfahrzeug über Schotterstraßen ins Okavango Delta chauffiert wurden. Glücklicherweise glättete sich die Straße schlussendlich und wir trafen unser Team aus einheimischen Guides am Flussufer. Da wir die nächsten zwei Tage im afrikanischen Busch campen sollten, ohne Elektrizität, fließendes Wasser oder sonstige "zivilisierte Annehmlichkeiten", kam das Expertenwissen unserer Guides sehr gelegen. So viel stand bis zu diesem Punkt schon einmal fest: Ein Laie oder Tourist würde sich im Wirrwarr an Kanälen, Inseln und Lagunen im Delta niemals zurechtfinden.
Circa 22.000 Quadratkilometer ist dieses Binnendelta groß und somit eines der Größten der Welt. Es entsteht in den Bergen Angolas und dient einer prachtvollen Anzahl an Wildtieren als Heimat – aber darüber später mehr. Hauptsache trocken bleiben hieß es dann, als wir uns in unser Transportmittel für die nächsten Tage setzten – „Mokoro“ wie es von den Einheimischen genannt wird. Hierbei handelt es sich um ein traditionelles Kanu, welches früher aus dem Holz der Affenbrotbäume geschnitzt wurde. Zum Schutz der Umwelt wird dazu heutzutage jedoch Glasfaser benutzt. Es eignet sich ganz fantastisch, für die engen und sich windenden Wasserwege (wenn man weiß wie man es fährt).
Ich war völlig baff mit welchem Geschick und welcher Geschwindigkeit sich unser Poler (deutsch: Fahrer oder Ruderer) uns voran brachte. Er stand im hinteren Teil des Mokoros und stieß das Kanu mit einem langen Holzstab am Flussbett ab. Total entspannt saßen wir Passagiere nur wenige Zentimeter über dem Wasser. Wir wurden von den langen Halmen des Schilfes gestreichelt, genossen die vereinzelten Spritzer des eintauchenden Holzstabes und ließen unsere Gedanken und Träume wandern, während wir immer tiefer ins Delta vordrangen.
Ohne zu merken, dass wir schon fast 45 Minuten unterwegs waren, hatten wir unsere erste Begegnung mit den wahren Einheimischen des Deltas – den Flusspferden! An einer Stelle im Fluss, welche sich zu einer Art Teich öffnete, „glupschten“ uns drei Augenpaare knapp über der Wasseroberfläche an. In einer respektvollen Distanz beobachteten wir, wie die Flusspferde in regelmäßigem Abstand untertauchten und an anderen Stellen wieder auftauchten. Von unserer Anwesenheit angezogen, begannen sie immer näher an unserer Mokoro-Gruppe aufzutauchen.
Flusspferde können ihren Atem bis zu neun Minuten anhalten! Der führende Poler gab seinem Team einen kurzen botswanischen Befehl und wir suchten langsam Schutz im Schilf und setzten unsere Fahrt in Richtung unserer „Privatinsel“ fort. Adrenalin schoss mir im Nachhinein noch ins Blut, als ich daran dachte, dass wir als (unbewaffnete) Menschen hier im Delta nicht am oberen Ende der Nahrungskette stehen und die Situation, in der wir uns kurz zuvor befanden, eine eher „freundliche Mahnung“ der Flusspferde war, dass nicht wir hier zuhause sind, sondern sie!
Sterne über Sterne funkelten uns an diesem Abend wie Diamanten an, als wir nur noch um die Glut des Lagerfeuers saßen. Für mich als Stuttgarterin ist das in unserem Feinstaub-Chaos schon etwas ganz Besonderes. Es ist ein wirklich überwältigendes Gefühl, sich plötzlich so winzig klein in der Weite unseres Universums zu fühlen. Tiergeräusche, wie das anhaltende Dröhnen der Insekten, der gelegentliche Ruf der Flusspferde und sogar ein unangenehm nahes Röhren eines Löwen, begleiteten uns in unsere Zelte, als wir in dieser sternklaren Nacht schlafen gingen.
Euphorisch startete ich in den nächsten Tag. Es sollte auf eine Busch-Wanderung gehen! Es ist eine ganz andere Erfahrung, den Bush zu Fuß zu erkunden, als in einem Geländewagen durch die Nationalparks zu fahren. Unser Guide aus dem Dorf, sein Name war Langos, ließ seinen Blick am Horizont entlang streifen, um potentielle Bewegungen der Wildtiere zu erhaschen. Aber außer der millionsten Impala, eine afrikanische Antilopenart, sahen wir leider nichts.
Langos nahm an, dass sich ein Löwe auf der Insel aufhielt und so seine Beute zwang, auf andere umliegende Inseln zu flüchten. Rechtzeitig bevor wir all unsere Hoffnung verloren hatten, stoppte Langos plötzlich! Er hob einen Zeigefinger an seine Lippen und deutete uns so, ganz still zu sein. Mit der anderen Hand zeigte er direkt vor uns in die Wildnis – ein Elefant, etwa 30 Meter entfernt! Wie konnten wir dieses riesige Wesen nur übersehen?! Wie erstarrt blickten wir ihn an. Innerhalb weniger Sekunden verschwand der Elefant in dichteres Terrain und war nie wieder gesehen! Es ist einfach beindruckend, wie schnell sich ein so großes Tier in Sekunden im Dickicht des Busches quasi unsichtbar machen kann. „Chapeau!“ an den Überlebensinstinkt!
Noch immer überwältigt von diesem Erlebnis wurden wir zurück im Camp von unseren neugewonnenen, einheimischen Freunden mit einem Brunch überrascht, welcher, wie das Abendessen am vorherigen Tag, über offenem Feuer zubereitet wurde. Mit vollen Bäuchen hatten wir den Nachmittag auch wieder zur freien Verfügung und nutzen diesen zum Plantschen und Sonnen in Mitten des Okavango Deltas.
Später an diesem Nachmittag, nachdem wir unsere Mokoro-Fahrkünste (fast) schon perfektioniert hatten, rief uns einer der Guides aus dem Wasser, um uns mitzuteilen, dass ein weiterer Elefant auf der anderen Seite des Camps gesichtet wurde. In der Hektik, schnell wieder aus dem Wasser zu kommen, kenterten wir mit unserem Mokoro und schauten zu, wie es sank.
Gefolgt von einem Kraftakt, das vollgelaufene Bötchen wieder an Land zu schaffen (das hätte selbst Hercules beeindruckt), verloren wir wertvolle Zeit. Ich verfluchte die Schnapsidee, in nasser Bikinihose, Top und Flipflops auf Elefantenbeobachtung in den Busch zu gehen, weil Dornen und Steinchen meine Füße und Knöchel zerkratzen! Nachdem wir endlich den Rest der Gruppe eingeholt hatten, wurden wir für die Strapazen belohnt: vor uns eröffnete sich ein gigantischer Blick auf nicht nur einen, sondern mindestens 70 Elefanten! Selbst unseren Guides blieb der Atem weg und sie gaben zu, selbst noch nie so viele Elefanten auf einem Fleck gesehen zu haben! Mehr Elefanten stießen von rechts friedlich der ohnehin großen Gruppe zu. Ein Babyelefant brach aus der Gruppe aus, lief auf uns zu und lenkte so die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf uns. Respektvoll zogen wir uns einige Meter zurück, um auf die Herde nicht als Bedrohung zu wirken. Einige der älteren Elefanten warnten uns auch davor, nicht wieder näher zu kommen, in dem sie sich schützend vor das Junge stellten und sich mit dem Aufstellen ihrer Ohren noch größer machten.
An diesem ereignisreichen Tag wurden wir mit einem traditionellen afrikanischen Weihnachtsessen belohnt, gefolgt von einer musikalischen Performance der einheimischen Gastgeber. Ich weiß, es schockt vermutlich viele, aber mein Botswanisch ist nicht fließend, weshalb ich nicht mit Gewissheit sagen kann, was in den Liedern gesungen wurde. Jedoch ließen die Tänze darauf schließen, dass sie sehr glücklich über unseren Besuch und stolz auf ihr Heimatland sind. Nach der Vorstellung eines botswanischen Hochzeitsliedes, bei dem jeder wie ein Frosch um das Lagerfeuer herumsprang – eine Nummer, die auf jeden Fall auf meiner zukünftigen Hochzeit auftauchen wird - spielten wir Spiele und hörten aufmerksam zu, wie unsere Gastgeber in unnötig detaillierten Einzelheiten Geschichten darüber erzählten, wie Leoparden uns Menschen die Kopfhaut über das Gesicht ziehen, um uns die Sicht zunehmen.
Froh darüber, die Nacht nach solchen Geschichten überlebt zu haben, wurde es Zeit, wieder mit Sack und Pack ein letztes Mal in die Mokoros zu steigen. Als wir langsam durch diese friedliche und beruhigende Landschaft schipperten, widerstand ich dem Drang eines vormittäglichen Schläfchens und entschied mich stattdessen, einen geistigen Schnappschuss zu machen. Ich lauschte dem wunderschönen Gesang der nahen Vögel und dem Schnaufen auftauchender Flusspferde.
Nach einer herzlichen Verabschiedung luden uns einige der Poler ein, ihr nahe gelegenes Dorf zu besuchen. Dies nahmen wir dankend an! Es wurde ein doch sehr interessanter und spaßiger Besuch, als uns die großzügigen Guides ihre Häuser, gebaut aus Termitenhügel, Lehm und Blechdosen, zeigten.
Als Gemeinde teilen Sie sich auch die Arbeit (auch die Trips ins Delta) in einem rotierenden System und teilen das Einkommen fair untereinander auf, um eine angemessene Verteilung von Ressourcen zu gewährleisten. Sich selbst solchen Erlebnissen und Orten zu öffnen, hilft einem dabei, einen schärferen Sinn für Kulturen zu entwickeln und diese neu gewonnenen Erfahrungen positiv in den eigenen Alltag einfließen zu lassen.
Zurück in Maun stieg die Vorfreunde auf das eher ungeplante (und nicht budgetierte) Ereignis, das mir bevorstand: ein Flug über das Okavango Delta! Aber nach den Berichten anderer Touristen musste ich einfach in die Luft und entschied, dass es sich um eine „Once in a Lifetime-Chance“ handelte. Ich konnte es mir deshalb nicht leisten, diese zu verpassen – man kann immer noch Geld verdienen, aber Erfahrungen wie diese kommen nicht jeden Tag im Leben. Und schon kletterten meine drei Reisebegleiter und ich in die 5-sitzige Cessna. In diesem kleinen, engen Flieger war jeder leere Platz wie Luxus.
Als wir bei klarem, blauem Himmel auf circa 600 Meter waren, wurden wir von dem gigantischen Ausmaß und der puren Schönheit des Deltas begrüßt. Wasserstraßen schlängelten sich soweit das Auge reichte und glitzerten im Sonnenlicht, bevor sie im Nebel über dem Horizont verschwanden. Es wurde klar, dass wir in der Zeit, die wir im Delta verbrachten nur einen winzig kleinen Teil des Naturwunders erlebt hatten. Nach und nach wurde uns dies in unserem zierlichen Flieger bewusst.
Innerhalb weniger Minuten änderte sich die Stimmung, als unser Pilot immer tiefer sank, um noch einen genaueren Blick auf die unter uns grasenden Herden zu ermöglichen. So tief, dass wir den großen Giraffen schier kostenlose Haarschnitte hätten verpassen können! In einer kindlich euphorischen Stimmung teilten wir unsere Beobachtungen miteinander - fast wie beim Zoobesuch mit den Eltern riefen wir durcheinander: „ELEFANT!“, „GIRAFFE!“, „FLUSSPFERD!!“ und klopften mit den Fingern gegen die Fensterscheiben. Als wir versuchten, einen zweiten Blick auf die Tiere zu werfen, zog der Pilot die Maschine steil nach oben und wir wurden von den G-Kräften in unsere Sitze gedrückt. Als wir fast ohnmächtig wurden, hat der Pilot uns erlöst und setzte den Flug zurück Richtung Maun gemütlich fort. Die Chance, so viele Tiere in freier Wildbahn in einer so einzigartigen Perspektive zu erleben, wird mir für immer im Gedächtnis bleiben!
Ernsthaft, der Pilot hat den coolsten Job aller Zeiten: Tagtäglich fliegt er über diese einzigartige Landschaft, sucht nach den „Big Five“ und führt diese wahnsinnigen Manöver aus, um den Tieren so nah wie möglich zu sein - ein Traum! Ich glaube auch nicht, dass sein Dauergrinsen nur für uns Touristen aufgesetzt war.